Seit Monaten schon haben wir das Problem, dass wir nach jedem Segeltag mehr oder weniger viel Wasser in der Bilge (tiefster Punkt im Schiff) haben. Bei hohen Wellen und viel Wind sind es bis zu 60 Liter pro Tag. Was haben wir nicht schon alles versucht, um die Ursache zu ermitteln. Nach und nach habe ich aber alle für mich erdenklichen Möglichkeiten und Ursachen identifiziert und behoben. Jedes Mal wieder war ich mir sicher, dass die Bilge jetzt trocken bleiben würde, nachdem die Arbeiten abgeschlossen waren. Doch der Albtraum wollte einfach kein Ende nehmen und so langsam kam ich meinem ganz privaten Trauma immer näher, wenn ich wie bei unserem letzten Törn alle zwei Stunden zehn Liter Seewasser abgepumpt habe.
Bei einer Routinekontrolle des Autopiloten hatte ich wirklich Schwierigkeiten, mich bei der hohen See, kopfüber in den Raum unter den Betten hängend, mit einer Hand festzuhalten. In der anderen Hand hielt ich die „Maglite“ (Taschenlampe für MännerJ) und inspizierte die tiefen Räume unter den Backskisten. Dabei fiel mein Blick auch auf das untere Ruderlager. Immer wenn der Autopilot gegen den Seegang kämpfte und das Ruder mit nackter Gewalt drehte, um das Boot wieder auf Kurs zu bringen, sah ich eine Wasserfontäne aus der massiven Verschraubung heraus spritzen. Was für ein Schock! „Das wird eine größere Nummer“ war mein erster Gedanke. Nach 10 Minuten hatte ich mich aber wieder einigermaßen sortiert und einen Videoclip per iphone an die Schöchl-Werft geschickt, mit der Bitte um Rat und Unterstützung.
Die Dame im Büro musste gedacht haben, dass wir kurz vor dem Absaufen waren. Wahrscheinlich waren meine dramatischen Schilderungen daran schuld, denn das kann ich ganz besonders gut J. Jedenfalls hatte ich wenige Minuten später den Werftinhaber Manfred Schöchl persönlich am Apparat. Es war nicht das letzte Gespräch an diesem Tag. Sowohl der Werftchef als auch eine Reihe seiner erfahrenen Mitarbeitern standen uns mit Rat und Tat zur Seit und waren alle sehr kooperativ und hilfsbereit. Am Ende des Tages war dann der Maßnahmenkatalog erstellt und die Ersatzteile für die Reparatur per Expresslieferung auf dem Weg nach Teneriffa.
Eine Tatsache stand aber unumstößlich fest. Das Ruderlager inklusive der im Rumpf fest eingeklebten Lagerhülse muss ausgebaut bzw. erneuert werden. Dazu muss das Boot aus dem Wasser und das Ruder muss auch raus. Jedem Segler, dem ich von der Reparatur erzählte, guckte nur mitleidig und wünschte mir viel Glück.
Da werden alte Erinnerungen wach! Dem Vater meiner damaligen Freundin hatte ich als 21-Jähriger versprochen, übers Wochenende die Kupplung seines Lieferwagens zu wechseln. Größte Verzweiflung kam auf, als es auch nach vier Stunden nicht gelang, das Getriebe wieder einzubauen. Aber am Ende gelang es dann doch. Am übernächsten Morgen rief mich meine Freundin an, dass Ihrem Vater auf dem Weg nach Hamburg zum Großmarkt der Wagen unter dem Hintern zusammengebrochen war, weil die Kupplung wieder defekt war. Gott sei Dank, konnte er seine Waren (Blumen und Pflanzen) noch verkaufen, bevor die Karre stehen blieb. Als Entschuldigung für ihn lackierte ich das alte Teil mit weißer Farbe und stellte einen Kaktus in die Mitte. Man war das hart, ihm unter die Augen zu treten und die gesamte Schande auf sich zu nehmen.
Am kommenden Montag haben wir einen Termin, unser Boot zu kranen. Die letzten 3 Tage hatte ich nichts anderes zu tun, als am Abend diverse Technikforen zu dem Thema zu studieren und dann am Tag mit dem Mietauto in diversen Werkzeug-Shops auf die Suche nach Spezialwerkzeugen zu gehen. Von jedem der benötigten Teile habe ich mit meinem ipad ein Screenshot gemacht, denn Bilder sagen mehr als 1000 Worte. Ganz besonders, wenn man so wie ich kein Spanisch spricht, erleichterte es die Kommunikation ganz enorm. Eine besondere Herausforderung war der spezielle Hakenschlüssel für Verschraubungen von bis zu 120mm Durchmesser und der ganz spezielle Kleber SIKA 292i mit dem dazu passenden Primer.
Erschwerend kommt hinzu, dass man vielen „Fachleuten“ besser nicht über den Weg trauen sollte. Bei einem Yachtshop, der von einem Holländer geführt wurde, wurde mir ein Kleber mit Primer angeboten, der abweichend von der Empfehlung des Herstellers und der Werft spezifiziert war. Ein Anruf bei Sika klärte alles sehr schnell. Der angebotene Primer war für Plexiglas spezifiziert und der Kleber wies nicht die nötige Festigkeit auf. Dieser „Fachmann“ hatte mir doch versichert, dass er über 20 Jahre Erfahrung hätte und wollte eine Diskussion starten, warum denn der andere Kleber überhaupt nötig wäre. Bald danach verschwand er hinter dem Tresen und ward nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich hatte er gehört, dass ich Katja gesagt habe, er soll sich bloß sein Lehrgeld wiedergeben lassenJ. Einige Kanaren sagen ja selber, dass Afrika näher liegt als Europa. Also studieren, viel fahren, viel Fragen und immer schön locker bleiben. Nach drei Tagen Fahrerei und 350 Kilometer Strecke kreuz und quer über die Insel, hatten wir alles zusammen, was wir voraussichtlich an Werkzeugen, Materialien, Vorrichtungen und Ersatzteilen benötigen werden.
Wir haben uns entschlossen, während der Zeit, wenn die SUMMER auf dem Land steht, weiter im Boot zu wohnen. Ist bestimmt ein komisches Gefühl, wenn es nachts nicht mehr schaukelt. Bei der Gelegenheit werden wir das Unterwasserschiff auch gleich mit neuer Antifouling streichen lassen. Den Drehflügelpropeller werde ich selber überholen und die Opferanoden auch gleich wechseln. Eines ist aber jetzt schon sicher: Die kommende Woche wird eine echte Herausforderung!