Nach dem Frühstück waren wir heute noch mit Petra und Peter von der SY WAHOO verabredet, die uns noch ein paar Tipps für die Bahamas geben wollten, die wir im Mai besuchen wollen. Die beiden kennen sich dort bestens aus und waren mit einem Boot mit ähnlichem Tiefgang unterwegs. Nach fast zwei Stunden hatten wir unseren Revierführer mit vielen Kreuzen und Sternchen ergänzt und fühlen uns für den Besuch der Bahamas gut vorbereitet. Jetzt stand aber erst einmal Montserrat auf der Reiseliste und langsam mussten wir uns sputen, um nicht im Dunkel dort anzukommen. Mit einer Menge Wind kam unsere CESARINA richtig gut in Fahrt und wir erreichten die „Little Bay“ auf Montserrat noch deutlich vor dem Sonnenuntergang. Die einzige Ankerbucht der Insel war recht gut besucht, aber wir fanden weiter draußen noch einen geeigneten Platz. An Land war nicht viel Leben zu sehen. Eine Pier für Frachtboote und ein paar Hafengebäude, daneben mehrere Gebäude direkt am Strand. Wir verschoben unseren ersten Landgang auf morgen. In der Ankerbucht herrschten heftige Fallwinde und wir wollten erst sicher sein, dass unsere CESARINA sicher am Anker hängt. So verbrachten wir eine ziemlich schauklige Nacht ohne weitere Probleme und machten nach dem Frühstück das Dinghi klar. An Land wurden wir gleich freundlich empfangen. Ein Hafenarbeiter half uns, einen sicheren Platz für unser Beiboot zu finden, denn es gab kein Dinghi-Dock und an der Pier machen ja sonst auch noch Fähren und Frachtschiffe fest.
Das Einklarieren sollte auf Montserrat eigentlich mit dem Online-Programm „SeaClear“ erfolgen, aber anscheinend gab es keine Internetverbindung. So mussten wir die Formulare alle mit der Hand ausfüllen. Aber es waren nur zwei Stück und die Arbeit hielt sich somit in Grenzen 🙂 Nach einem Besuch der Port Control und des Hafenbüros war alles erledigt und wir konnten auf Entdeckungsreise gehen.
Der Insel Montserrat und ihren Bewohnern hat die Natur in den letzten 30 Jahren ziemlich übel mitgespielt. Begonnen hat alles im Jahr 1986, als der Tropensturm „Hugo“ große Teile der Insel verwüstete. Über 90% der Gebäude waren zerstört oder beschädigt, die Stromversorgung zusammengebrochen und 400 Jahre alte Baumriesen umgeknickt wie Streichhölzer. Nur langsam erholte sich die Insel von der Zerstörung, aber schon 1995 wurde das Leben der Inselbewohner durch den Ausbruch des Vulkans „Soufriere Hills“ komplett auf den Kopf gestellt. Nach 400 Jahren Ruhe wurden Mitte des Jahres erste Wasserdampfexplosionen beobachtet und im August spuckte der Vulkan eine große Menge Asche und macht den Tag zur Nacht. Die aufsteigende Lava bildete einen neuen Dom, der bis zum Frühjahr des Jahres 1996 weiter schnell anwuchs, bis er schließlich kollabierte. Lava, Geröll und Asche ergossenen sich in Richtung Meer und erreichen nach und nach immer größere Teile der Insel. Die Evakuierung der Bewohner war im vollen Gange. Absoluter Höhepunkt des Ausbruchs war der 25. Juli 1997. Pyroklastische Ströme und heiße Aschewolken zerstörten Häuser. Auch der Flughafen war bedroht. Mehr als 20 Menschen verloren während des Ausbruchs ihr Leben. Bis Ende des Jahres 1997 lag die Hauptstadt Plymouth unter einer dicken Ascheschicht begraben, der Flughafen wurde vollständig durch die Lavamassen zerstört. Bis zum Jahr 2000 wütete der Vulkan mit abnehmender Heftigkeit. Immer wieder stiegen Aschewolken bis zu dreizehn Kilometer in die Höhe. Danach folgte eine kurze Phase der Entspannung. Die Menschen versuchten zur Normalität zurückzufinden. Teile der Insel, die jetzt in sicherer Entfernung um Vulkan liegen, durften wieder betreten werden und Häuser und Hotel wurden von Asche und Schutt befreit und wieder in Betrieb genommen. Aber die Ruhe währte nicht lange. Schon im Jahr 2002 konnten die Experten wieder eine steigende Aktivität messen und 2008 erreichte ein neuer Ausbruch erneut die Überreste der Hauptstadt Plymouth. Lava-Ströme flossen 400 Meter hinaus ins Meer und Asche wurde 15 Kilometer hoch in den Himmel geschleudert. Erst im Jahr 2012 schwächten die Aktivitäten des Vulkans wieder ab und seitdem herrscht bis heute relative Ruhe.
Noch heute ist die Hälfe der Inselfläche Sperrgebiet und darf nicht betreten werden. Während der Naturkatastrophe ist die Anzahl der Inselbewohner von über 10.000 auf knapp 4500 Menschen gesunken.
Direkt nach Verlassen des Hafens wurden wir vom Taxifahrer Christian angesprochen. Ob wir eine Inseltour machen wollen? Mit dem Satz „I`ll show you the best of the rest“ hatte er uns schon ins Taxi verfrachtet und los ging die Fahrt. Auf der winzigen Straße ging es in Richtung Süden. Unser erstes Ziel war das „Montserrat Volcano Observatory“. Dort trafen wir genau pünktlich zum Start des Hubschraubers ein, der jeden Tag um 12 Uhr zu einem Beobachtungsflug über das Vulkangebiet startet. Ein zwanzigminütiger Film zeigte die gesamte Geschichte des Vulkanausbruchs in dramatischen Bildern. Besonders erschreckend ist der Vergleich der Bilder der Stadt Plymouth vor dem Ausbruch und die Stein und Aschewüste, die man heute an dieser Stelle vorfindet.
Anschließend machen wir uns auf den Weg in die „Daytime Entry Zone“. So durchqueren wir ein trockenes Flussbett, das bei starkem Regen wohl ganz schnell zu einem reißenden Matsch- und Geröllfluss wird. Die Brücke, die vor dem Vulkanausbruch über den Fluss führte, liegt mehre Meter tief unter Asche und Sand begraben. Die früher beliebte Wohngegend mit Blick auf das Meer und Plymouth ist verfallen. Die Natur hat sich diesen Platz zurückerobert. Zufahrten von Häusern und Villen sind überwuchert, zum Teil wachsen die Bäume auch direkt in den zerstörten Ruinen.
Wir besuchten ein Hotel, das früher zu den beliebtesten der Insel gehört hat. Es macht den Eindruck, als wäre die Zeit stehen geblieben. Im Büro finden wir verstreut noch Unterlagen aus dem Jahr 1995. In den Zimmern fehlt zwar das Mobiliar, aber in den eingebauten Kleiderschränken hängen noch die Kleiderbügel. Der Fußboden ist überall mit einer dicken Schicht Asche bedeckt. Auch der Swimmingpool hat schon bessere Zeiten gesehen. Bis obenhin gefüllt mit Asche und Sand wuchern dort jetzt Gräser und Blumen.
Von einem nahegelegenen Aussichtspunkt aus konnten wir noch einmal einen Blick auf die zerstörte Hauptstadt werfen. Aus dem Aschemeer kann man nur noch ein paar höhere Gebäude ausmachen. Die neu gebaute Kreuzfahrerpier liegt unbeschädigt vor der Stadt. Vor dort aus wird heute Sand in die restliche Karibik exportiert. Wohl das einzige Exportgut, das Montserrat heute zu bieten hat 🙁
Nach gut drei Stunden hatten wir genug gesehen und gehört und sparten uns den Besuch des ehemaligen Flughafens. Trotzdem überraschte uns die Art, wie die Menschen mit solchen Schicksalsschlägen umgehen. Denn viele haben trotzdem die Insel nicht verlassen und leben Ihr Leben am Rand der Naturkatastrophe mit karibisch guter Laune.