Tabak bis zum bitteren Ende

Heute hatten wir bis nach Vinales, unserem nächsten Ziel, nicht viele Kilometer zu fahren. Die hatten es dafür aber in sich. Wir hatten beschlossen, die Straße an der Küste entlang zu fahren, die von der Größe laut unserer Straßenkarte vergleichbar mit den Straßen war, die wir schon oft benutzt hatten. Wie genau Straßen in Kuba klassifiziert werden, wird mir wohl für immer schleierhaft bleiben. Während wir bisher bequem mit 50 oder 60 Kilometern pro Stunde gereist sind, waren heute mehr als 30 Kilometer pro Stunde schon fast lebensgefährlich. Tiefe Schlaglöcher und richtige Gräben machten die Fahrt zum Abendteuer. Uns war es eigentlich egal. Bei der geringen Geschwindigkeit konnte man wenigsten bequem an jeder zweiten Ecke anhalten und ein Foto machen.

Da meine Mutter von Meer noch nicht so viel gesehen hatte, versuchten wir das heute auszugleichen. In dieser wenig touristischen Gegend führte aber kaum eine Straße ans Meer oder zu einem schönen Strand. Bei ersten Mal landeten wir in einer winzige Siedlung und konnten nur durch die Gärten einen Blick aufs Wasser erhaschen. Beim zweiten Mal fanden wir einen winzigen Hafen mit Fischerbooten in einer traumhaften Bucht. Immer wieder wurden wir interessiert gemustert, aber nie angesprochen oder belästigt. So erreichten wir am Nachmittag wieder touristischere Pfade und besuchten die erste Höhle, von denen es eine ganze Menge in diesem Teil Kubas gibt. Nach dem kurzen Spaziergang durch die nicht besonders beeindruckende Höhle, landeten war auf der Rückseite des Berges in einem riesigen Restaurant, das eindeutig auf große Mengen von Touristen ausgelegt war. Jetzt war es aber fast menschenleer und wir konnten in Ruhe eine Kaffeepause machen. Der Rückweg zurück zum Parkplatz führte uns durch die ersten Tabakfelder und direkt an einem Trocknungsschuppen vorbei. Der Tabakbauer ließ sich gegen ein kleines Trinkgeld gern überreden, uns einen kurzen Rundgang zu erlauben. Wir waren wahrscheinlich nicht die einzigen, die danach fragten :-).

In Vinales angekommen suchten wir wie jeden Abend erst einmal unser Quartier. Das lag irgendwie nicht so nett in der dritten kleinen Straße, weit von Ortskern entfernt. In der Casa wurden wir von einem Freund der Familie empfangen, der wohl besser Englisch sprach als die Hausherren. Es gäbe Probleme mit der Toilette und man würde uns deshalb anderswo unterbringen. Gut, dann mal los. Ohne Klo ist ja auch nicht besonders lustig 🙂 Unser neues Domizil, lag direkt neben einer Bauruine an der Hauptstraße in der Nähe der Bushaltestelle. Da das Verkehrsaufkommen in Kuba doch noch recht gering ist, war das dann doch nicht so dramatisch, wie es sich jetzt anhört. Der Weg in die Stadt war jetzt auf jeden Fall deutlich kürzer und angenehmer als vorher. Das heutige Abendessen wollten wir wieder in der Casa einnehmen. Vorher machten wir noch einen ersten Rundgang durch die Stadt bzw. durch das Dorf. Besonders gut gefielen uns die Häuser mit ihren großen, zur Hauptstraße hin offenen Terrassen, auf denen immer mindestens zwei Schaukelstühle standen. Es gab viele Bars und Restaurants und auf dem Platz vor der Kirche war schon die Musikanlage für den heutigen Samstagabend aufgestellt. Wir entschieden uns auch noch für einen kleinen Cocktail vor dem Abendessen 🙂 Normalerweise trinke ich sehr gern einen Mojito, aber heute war ich in Probierlaune. Ein Cubata sollte es diesmal sein. Am nächsten Tag habe ich im Internet gegoogelt, was da eigentlich drin sein soll. Von der vorgeschriebenen Cola habe ich keinen Tropfen schmecken können. Vielleicht lag es daran, dass so viel Rum in mein Glas gewandert war, dass für die Cola einfach kein Platz mehr war. Nach dem Cocktail war ich auch jeden Fall für den restlichen Abend bedient. Da half auch das leckere Abendessen nicht mehr. Seelig lag ich vor zehn in meinem Bett und nicht einmal die Moskitos konnten meinen Schlaf stören.

Für den nächsten Morgen hatten wir uns vorgenommen, zuerst die Cuva de los Indios zu besuchen. Die große Tropfsteinhöhle ist ein beliebtes Ausflugziel, da man in Ihr mit dem Boot auf einem unterirdischen Fluss entlang fahren konnte. Wir erreichten die Höhle vor dem ersten Reisebus und konnten noch recht ungestört die Atmosphäre genießen. Nach einer kurzen Strecke zu Fuß mussten wir am Bootsanleger geduldig auf einen Platz warten. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie lange man hier warten muss, wenn zuvor drei Busse angekommen sind, denn es passt nur immer ein Boot in die Höhle. Wahrscheinlich stellt man sich gleich nach der Kasse in die Schlange durch die komplette Höhle an. Aber direkt hinter dem Eingang der Höhle hat uns die Tour sehr gut gefallen. Zu Fuß wanderten wir noch ein bisschen herum, bevor wir zurück zum Auto gingen. Noch eine weitere Höhle stand für heute auf dem Programm. Auf dem Weg kamen wir an einem ganz absonderlichen Kunstwerk vorbei. Eine riesige Darstellung der Evolutionsgeschichte schmückte eine der bizarren Felswände. Vor dieser Kulisse wurde gerade der Altar für eine Hochzeit aufgebaut. Das Kunstwerk alleine war schon schauerlich. Wer wollte denn hier bloß heiraten?????

Die Höhlen von St. Thomas waren das komplette Kontrastprogramm zu den Cuva de los Indios. Hier traf man auch keine Reisegruppen mehr an. Wir kamen mit einer ebenfalls wartenden deutschen Familie ins Gespräch. Für den Besuch der Höhle musste man zwei bis drei Stunden Zeit einplanen. Festes Schuhwerk war vorgeschrieben. Die restliche Ausrüstung (Helm und Stirnlampe) bekam man dann hier. Das war auch der Grund, warum sie seit fast zwei Stunden hier noch gesessen haben. Zu viele Leute und keine Ausrüstung mehr. Das war der Grund, warum es für sie hier nicht weiter ging. Da meine Mutter schon seit ein paar Tagen gegen eine Klimaanlagenerkältung kämpfte, entschieden wir uns gegen die anstrengende Unternehmung. Es war auch schon kurz nach Mittag und für den Nachmittag waren Gewitter angekündigt. Da wollten wir mit dem Auto lieber nicht unterwegs sein. So fuhren wir gemütlich zurück nach Vinales und verbummelten den Nachmittag in der Stadt. Am Horizont hatten sich bereits dicke Wolken zusammen gebraut und so war uns die ursprünglich geplante Wanderung in die Tabakfelder zu riskant. So besorgten wir einige Mitbringsel für die Daheimgebliebenen und besuchten den kleinen botanischen Garten direkt im Stadtzentrum. Die Gewitter hatten ein Einsehen mit uns. Nicht ein einziger Tropfen fiel vom Himmel. Unser Abendessen in der Stadt genossen wir ein weiteres Mal bei strahlendem Sonnenschein auf der Terrasse. So wünscht man sich das doch im Urlaub 🙂

Jetzt waren wir schon zwei Tage von Tabakpflanzen umgeben und noch immer hatten wir keinen Einblick in die Kunst der Zigarrenherstellung. Das sollte sich heute ändern. Nach dem Frühstück fuhren wir nach Pina del Rio. Hier wollten wir die Zigarrenfabrik besuchen. Die Stadt scheint einer der reicheren in Kuba zu sein, denn die Verkehrsdichte war unglaublich hoch. Da war ich echt erleichtert, als ich unseren Mietwagen am Straßenrand geparkt hatte. Zu Fuß war man einfach flexibler. Aber heute Morgen war uns die Stadt irgendwie zu hektisch und wir entschieden uns spontan, direkt zu der Tabakplantage zu fahren, die wir auch noch besuchen wollten. Die lag etwas außerhalb und nach gut 30 Minuten hatten wir sie gefunden. Hier wurden wir in Ruhe herumgeführt und durften uns alles anschauen. Auch die Prozedur des Zigarrenrollens wurde uns gezeigt. Die Plantage der Robeinas wird vom Enkel des Gründers weitergeführt. Den durften wir auch persönlich kennenlernen. Denn während uns im Tabakschuppen der Trocknungsprozess erklärt wurde, kam er mit seiner kleinen Tochter herein. Er erklärte, dass die junge Dame jeden Morgen eine selbstgerollte Zigarre von ihm verlangen würde und machte sich unter ihren kritischen Augen auch direkt ans Werk. Kurze Zeit später hielt die junge Dame die gewünschte Zigarre in der Hand – ein gelungener Kontrast zu ihrer Windel 🙂

Vor den Toren der Plantage nutzen wir noch die Gelegenheit, ein paar Zigarren als Mitbringsel zu erstehen. Dann war es Zeit, dem Tabak den Rücken zu kehren und weiter nach Havanna zu fahren, der letzten Station unserer Rundreise.

Noch gute 200 Kilometer lagen vor uns, bevor wir in Havanna den Mietwagen abgeben dürfen. In den letzten Tagen hatte er schon manchmal merkwürdige Anwandlungen gehabt. Morgens musste man schon etwas Überzeugungsarbeit leisten, damit der Motor nach dem Anlassen auch an blieb und nicht einfach wieder ausging. Zwischenzeitlich hakte auch das Gaspedal 🙂 und ließ sich nicht durchtreten. Andersherum wäre es aber deutlich schlimmer gewesen 🙂 Kleinigkeiten eben. Jetzt auf dem Weg nach Havanna spielte uns die Benzinuhr einen letzten Streich. Eigentlich hatten wir reichlich genug Benzin im Tank, um bequem nach Havanna zu kommen. Jetzt fehlten noch fünfzig Kilometer und wir standen plötzlich auf Reserve. Auf der Autobahn war natürlich weder eine Ausfahrt noch eine Tankstelle in Sicht. Das Autofahren in Havanna ist ja eh eine anspruchsvolle Angelegenheit. Da wäre es doch schön gewesen, wenn man sich wenigstens um das Benzin keine Gedanken machten müsste. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich eine Tankstelle fanden. Schnell tankten nochmal 15 Liter Sprit nach. Jetzt konnten wir uns auch entspannt in Havanna verfahren. Zuerst sollte es zu unserer Casa gehen, die zentral am Rande der Altstadt lag und dann würden wir bis fünf Uhr noch den Mietwagen loswerden müssen. Jetzt mussten wir uns langsam etwas ranhalten. Unsere Casa in der Altstadt kreisten wir langsam ein. Eine Einbahnstraße mündete in die nächste, aber irgendwann waren wir dann doch am Ziel. Der erste Eindruck begeisterte uns nicht. Meine Mutter blieb im Auto: „Hier steige ich nicht aus…“ Das war eindeutig kein besonders guter Anfang. Das Haus mit der Hausnummer 204 war wirklich keine besondere Schönheit. Aber wie schon so oft, wollte ich erst einmal gucken. Vielleicht war es gar nicht so schlimm. Ein Schild war auf jeden Fall nirgendwo zu entdecken und so fragte ich mich bis in den dritten Stock durch. Die gesamte Etage war vom Treppenhaus durch eine massive Gittertür abgetrennt. Dahinter sah es nach dem dunklen und gruseligen Treppenhaus erstaunlich sauber und gepflegt aus. Auch in der Wohnung selber gab es dann nichts mehr zu meckern. Mit Hilfe des Hausherrn schleppten wir das Gepäck hinauf und richteten uns ein. Jetzt mussten wir nur noch das Auto werden. Der kürzeste Weg zum Hotel Central war auf der Karte ungefähr ein Kilometer. Bis wir erst das Hotel und dann auch noch einen Parkplatz gefunden hatten, sind wir bestimmt die zehnfache Strecke gefahren. Schnell waren die Formalitäten erledigt und wir konnten ab sofort Havanna zu Fuß erkunden. Von Parque Central wanderten wir am „Capitolio national“ vorbei. Die Straßen waren voll mit mehr oder weniger gut gepflegten Oldtimern und mehrfach wollte man uns zu einer Stadtrundfahrt überreden. Aber nicht heute, war unsere Standardantwort. Morgen würden wir wieder kommen. Die Stimmung in der Stadt war sehr angenehm und locker. Wir machten einen Abstecher ans Meer und spazierten ein Stück auf der Malecon, der Uferpromenade, entlang. Hier war immer was los und viele Kubaner genossen hier den Sonnenuntergang. Pünktlich zum Abendessen waren wir zurück in der Casa. Der Chef kochte persönlich und es gab Garnelen nach kubanischer Art. Mit den riesigen Portionen hätte man wahrscheinlich doppelt so viele Leute satt bekommen, aber wir schlugen uns tapfer. Nach dem Essen ließen wir uns noch ein bisschen durch die Altstadt treiben. Mit einem Mojito in der Hand saßen wir am „Plaza de la Cathedrale“ und ließen den Abend entspannt ausklingen.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert